Warum das Ende der individualisierten Google-Werbung keine Überraschung ist

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Google hat mit der Ankündigung, in Zukunft auf individualisiertes Tracking bei der Werbung verzichten zu wollen, für Schlagzeilen gesorgt. Doch das kommt weder gänzlich unerwartet, noch wird der Konzern darauf verzichten, möglichst passgenau Werbung zu präsentieren.

Google hat angekündigt, in Zukunft auf individuell personalisierte Werbung zu verzichten und den Kunden nicht mehr individuell zu tracken. Das ist nicht mehr und nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der Onlinewerbung, aber dennoch keiner, der überraschend kommt. Denn schon seit Jahren zeichnet sich ein Verzicht auf direktes Tracking ab – und damit die Suche nach Alternativen. Das hat einerseits damit zu tun, dass die EU-Gesetzgebung (ebenfalls schon seit Jahren) an einer E-Privacy-Verordnung arbeitet, die dafür sorgen würde, dass die Nutzer deutlich mehr Klicks auf die lästigen Cookie-Hinweise zu erledigen hätten. Es hat aber auch mit der Abkehr der Browserhersteller von den Third-Party Cookies zu tun – ein Mittel, das über kurz oder lang für gravierende Einbußen bei der gezielten Zuordnung von Targeting-Werbung führen würde. Die Folge: Weniger Effizienz bei der Kampagnenausspielung und schwierigeres Erreichen gebuchter Reichweiten für alle Werbetreibenden.

Und doch ist die Nachricht, dass Google seine Nutzer nicht mehr individuell über mehrere Websites hinweg tracken will, ein Detail, das in der Branche für Gesprächsstoff sorgt und weiter geht, als bislang erwartet zu erwarten war. Denn wenn Google mit – je nach Lesart und Auslegung der Zahlen – 50 bis 60 Prozent Marktanteil eine solche Veränderung umsetzt, sorgt das für Verwerfungen in der gesamten Digitalwirtschaft. Jounce Media spricht von 292 Milliarden US-Dollar reinem Werbeumsatz bei Google.

Liefert Google nun nicht mehr individuell passend Werbung?

Wird Google nun gänzlich darauf verzichten, zu versuchen, Werbung passgenau auszuliefern? Mitnichten – denn das Unternehmen hat angekündigt, in Zukunft die Effizienz bei der Zuordnung über Gruppenmerkmale zu erreichen. Die Technik dahinter ist die Privacy Sandbox, die Google schon im Zusammenhang mit einigen Lösungsansätze erprobt hat, um performancebasierte Ads auf andere Weise zu realisieren als bislang. Und ein wichtiger Bestandteil ist die FLoC-Technik, das „Federated Learning of Cohorts“. FLoC soll dazu dienen, große Gruppen von Menschen in Clustern zusammenzuführen. Dabei teilt Google Nutzer bestimmten Kohorten zu, die, vereinfacht gesagt, „ähnlich ticken“, also dieselben Interessen haben, teilweise dasselbe Konsumverhalten an den Tag legen und auf ähnliche Themen reagieren.

Dieser Gruppenansatz wird Einzelpersonen effektiv in der Masse an Nutzern verschwinden lassen und nutzt die geräteinterne Verarbeitung, um deren Browserverlauf zu schützen. Wie viele Nutzer genau einer solchen Kohorte angehören, ist nicht hinreichend geklärt, aber Google spricht in einem Whitepaper von ungefähr 5.000 Profilen. Eine Datenaufbereitung, die das Bild wieder „schärfer“ (die Zuordnung besser) machen könnte, kommt dabei für Google nach eigenem Bekennen nicht infrage. Inwieweit alternative Technologien, die auf Fingerprinting setzen und Nutzer beispielsweise anhand ähnlicher Browser- oder Geräteeigenschaften weitgehend sicher zuordnen und wiedererkennen können, damit obsolet werden, hängt von der Politik der jeweiligen Browserhersteller ab.

Werbetreibende werden so in Zukunft ihre Werbung dennoch an den Kunden bringen und trotzdem ein Stück weit mehr Privatsphäre sicherstellen können, so wie Google das will (oder zumindest den berechtigten Wünschen der Kunden nachgibt). Und Werbetreibende werden auch, wenn sie Kunden daraufhin anders adressiert erreichen, sichergehen können, dass ihre Botschaften nicht an irgendwelche Bots ausgeliefert werden. Denn die Trust-Token-API, die Google kürzlich vorgestellt hat, kann zweifelsfrei dokumentieren, ob ein User aus Fleisch und Blut oder ein Bot auf ein Banner geklickt hat. Gezählt und bezahlt werden sollen ja nur tatsächliche Werbeauslieferungen.

Ad-Tech-Branche bleibt weiter in Bewegung

Für die Ad-Tech-Branche bedeutet das, dass in den nächsten Monaten nichts in Stein gemeißelt ist. Und es bedeutet, dass sie umgekehrt aber intensiv an den öffentlichen Tests teilnehmen sollte, bei denen FLoC-basierte Kohorten mit Anzeigenkunden in Google Ads erprobt werden können. Hinzukommen werden Signale aus dem Umfeldmarketing sowie weitere loginbasierte Lösungen, mit denen die Werbetreibenden ziemlich sicher das Fehlen der alten Cookies ausgleichen können. Denn was bei der gesamten Debatte außer Acht gelassen wird: All das gilt freilich nur für Nutzer, die nicht ohnehin mit ihrem Google-Konto angemeldet sind und somit (ähnlich wie in anderen Login-Allianzen oder bei Facebook) dem Unternehmen das Recht zur personalisierten Werbeausspielung gegeben haben. Diese werden weiterhin ihre auf sie zugeschnittene Werbung erhalten.

Doch gänzlich freiwillig und weil Google selbst nicht mehr evil sein will, dürfte der Schritt dennoch nicht erfolgen. Alleine in den USA laufen mehrere Kartellverfahren und auch in der Europäischen Union reißt die Kritik von Datenschützern nicht ab. Hinzu kommt die Initiative von Apple, die, anders als Google, nicht so abhängig vom Werbegeschäft sind und daher das Thema Privatsphäre gut als Unterscheidungsmerkmal spielen können, um sich von Google, respektive Android, abzuheben. Interessant dürfte aber auch die Reaktion von Facebook sein, deren Werbeausspielung ja seit Jahren genau auf diesen (individuellen) Interessen und Verhaltensweisen der Nutzer basiert.

Viel schlechter dürfte der Kunde somit auch in Zukunft nicht zu adressieren sein – schließlich kommt die Abschaffung der „alten Werbewelt“ mit Targeting via Third-Party Cookies nicht überraschend. Es handelt sich unterm Strich nur um eine gänzlich andere Strategie, die aber kaum weniger erfolgreich sein dürfte, insbesondere wenn sie durch zusätzliche Tools von Drittanbietern unterstützt wird. Sie erfordert aber ein Umdenken der gesamten Adtech-Branche und ihrer Werbetreibenden. Ändern könnte sich allerdings, dass bestimmte Themen insbesondere zum Start weniger treffsicher an den Kunden gebracht werden können, insbesondere wenn es sich um kleinere, regionale Märkte handelt, in denen die Werbung ausgeliefert wird.

quelle: t3n


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